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Sichtbares — Unsichtbares, 2014

Hauptsitz Raiffeisen Lana

„Die Baukunst ist das Buch der Menschheit“ formulierte einst der französische Schriftsteller Victor Hugo. Weitergedacht könnte das bedeuten, dass Architektur Schrift sein kann und/oder umgekehrt Schrift zu Architektur wird — dieses Gedankenspiel war meine erste Annäherung an die künstlerische Aufgabenstellung für das neue Raiffeisengebäude in Lana.
Zudem beschäftigte mich der Anspruch, mit meiner künstlerischen Arbeit auch einen Beitrag zu Vertrauensbildung und Identitätsstiftung leisten zu wollen: Die Kunden der Raiffeisenbank Lana sollten die künstlerische Intervention als selbstverständlichen Bestandteil des Gebäudes wahrnehmen, unaufgeregt und doch unverwechselbar, präsent aber nicht aufdringlich ? ohne sich anzubiedern.
Es galt nun einerseits den klar strukturierten, funktionalen Bau der Architekten Höller & Klotzner mit Logo und Schriftzug der Raiffeisenbank Lana zu „beschriften“ und andererseits in den Serviceräumen der Bank durch die Gestaltung der Glastrennwände im Schalterbereich und in der Selbstbedienungszone gleichermaßen ein Klima der Transparenz wie der Diskretion zu schaffen.
Die Aufgabenstellung - ein Logo und einen Schriftzug gemäß dem bestehenden Corporate der Raiffeisenbank an der Fassade anzubringen - führte mich zum naheliegenden Thema „Geld“ in anschaulicher und greifbarer Form: Scheinbar spielerisch und lose hingeworfene Münzmedaillons entwickeln den Schriftzug der Raiffeisenbank und konterkarieren die architektonische Strenge der seriell gesetzten Fensteröffnungen in der Fassade. Die polierten Münzmedaillons sind in Bronze gegossen und erinnern bewusst an reale Geldmünzen. Tagsüber glänzen und schimmern sie durch die Reflexion der Sonnenstrahlen und des Tageslichts, nachts reflek 32 33 tieren sie den Schein der umgebenden Lichtquellen.
Der günstige Zufall, dass der Schriftzug „Raiffeisen Lana“ dieselbe Anzahl unterschiedlicher Lettern beinhaltet wie derzeit Cent- und Euro-Münzen in Verwendung sind ermöglichte es, dass somit alle Euro-Münzen im Schriftzug vergegenwärtigt sind.
Konsequenterweise wurde bei der Umsetzung des Raiffeisen-Logos – zwei gekreuzte Pferdeköpfe, die den bäuerlichen Dachgiebelschmuck darstellen, als Symbol für das genossenschaftliche und menschennahe Gedankengut von Raiffeisen - ebenfalls die Münzmetaphorik beibehalten. Die bronzene Logo-Plastik steckt achsenverschoben in der Fassade, so als würde eine Münze in die Sparbüchse oder besser in die Bank eingeworfen.
Die Innengestaltung folgt den klassisch bankrelevanten Aspekten der Diskretion, Sicherheit und auch Kundenorientierung: lange Glasfronten schaffen Übersichtlichkeit und Transparenz. Die ebenfalls bedeutende Diskretion sollte durch die grafische Gestaltung der Gläser erreicht und gewährleistet werden.
über die gesamte Front der Glastrennwände im Schalterraum wurden mit Lasertechnik Sichtschutz-Linien ins Glas eingraviert. Die Linien entsprechen in Form und Rhythmus dem Hintergrundgitter von Banknoten.
Das feine Gitternetz schafft den gewünschten Blickschutz, aber auch den oft unterschätzten Aufprallschutz ohne der gewünschten Transparenz Abbruch zu leisten.
Das Ornament der Glastrennwände für die Schalterboxen führt in spielerischem Rhythmus und mit wechselnder Motivdichte das Münzmotiv weiter. ähnlich den Wasserzeichen der Banknoten sind die Muster gleichermaßen sichtbar wie unsichtbar und gewährleisten so gleichzeitig die Durchsicht zum Schalter wie auch den diskreten Sichtschutz.

Manfred Alois Mayr